Mobbing in inklusiven Klassen: Mit dem 6-Punkte-Plan reagieren Sie souverän

17.08.2017

Maja kommt nach der Pause immer als Letzte ins Zimmer. Sie wartet auf der Toilette, bis sie sicher sein kann, dass ein Lehrer in der Nähe ist. Viel zu groß ist ihre Angst, Mirjam und ihre Freunde allein anzutreffen. Haben Sie Hinweise auf Mobbing in Ihrer inklusiven Klasse gefunden, sollten Sie möglichst professionell darauf reagieren. Sichern Sie Ihre Beobachtungen auf verschiedenen Wegen ab, und ergreifen Sie dann entsprechende Maßnahmen, die Ihren Schülern helfen.

In vielen Klassen funktioniert die Inklusion von Schülern mit Migrationshintergrund oder Behinderung nicht reibungslos. So gut wie in jedem deutschen Klassenzimmer finden kleinere und größere Mobbing-Vorfälle statt. Sie als Lehrkraft sind in der Pflicht durchzugreifen, wenn Sie Hinweise auf Mobbing in Ihrer inklusiven Klasse finden. Gehen Sie dabei behutsam und dennoch effektiv vor: Ihre Schüler müssen wissen, dass Sie Mobbing unter keinen Umständen dulden.

Sichern Sie Ihre Wahrnehmung ab

Wenn Sie erste Hinweise auf Mobbing in Ihrer Klasse entdeckt haben, sollten Sie diese genauer prüfen. Führen Sie Gespräche mit Ihren Kollegen. Wer auch in dieser Klasse unterrichtet, hat möglicherweise ebenfalls Beobachtungen gemacht, die wichtig sind. Auch Kollegen, die Ihre Klasse nicht kennen, sollten z. B. während der Pausenaufsicht die Augen offen halten. Überlegen Sie im Kollegium, ob verstärkt die Toiletten in den Pausen kontrolliert werden sollten. Hier passieren oft unvorstellbare Dinge, und nicht selten sind sie der Ort, an dem die Mobbing-Angriffe stattfinden.

Die Faustregel für Mobbing

Haben Sie Mobbing-Hinweise in Ihrer Klasse gefunden, sollten Sie Ihre Vermutungen notieren und umfassend überprüfen. Sprechen Sie mit beteiligten und unbeteiligten Schülern. Kommen Sie gemeinsam mit Kollegen dabei zu dem Ergebnis, dass ein regelmäßiger Machtmissbrauch stattfindet, müssen Sie handeln.

Es gilt die Faustregel: Finden für einen Schüler schädigende Vorkommnisse mindestens 1-mal wöchentlich über einen Zeitraum von mindestens 3 oder mehr Wochen hinweg statt, sollten Sie von Mobbing sprechen.

Sprechen Sie mit den Eltern

Haben Sie konkrete Hinweise gesammelt, dass einer Ihrer Schüler Opfer von Mobbing-Tatbeständen sein könnte, sollten Sie zeitnah die Eltern kontaktieren. Dem Kind muss so schnell wie möglich geholfen werden. Mobbing kann gravierende Auswirkungen haben, die sogar häufiger als allgemein angenommen in den Selbstmord von Schülern führen können. Gehen Sie bei dem Gespräch behutsam vor. Für die Eltern wird die Angelegenheit vermutlich ein großer Schock sein. Verharmlosen Sie nichts. So signalisieren Sie, dass Sie mit dem nötigen Ernst an die Sache herangehen. Legen Sie den Fokus des Gesprächs unbedingt auf mögliche Lösungsansätze. Stellen Sie den Eltern dazu Ihren 6-Punkte-Plan vor:

Punkt 1: Führen Sie eine „Anti-Mobbing-Einheit“ durch

Klären Sie Ihre Schüler in einer Unterrichtseinheit zum Thema „Mobbing“ auf: Sprechen Sie darüber, was man unter Mobbing versteht, wie z. B. Beschimpfen, Auslachen, Verletzen oder Ausgrenzen. Thematisieren Sie, welchen Druck der oder die Täter auf das Opfer ausüben und dass der Teufelskreis des Schweigens durchbrochen werden muss. Machen Sie deutlich, dass Schweigen und Verleugnen auch strafbare Handlungen sind, die Sie nicht in Ihrer Klasse tolerieren.

Punkt 2: Helfen Sie dem Schüler individuell

Kooperieren Sie mit einem Schulsozialarbeiter, dem Schulpsychologen oder einem externen Experten: Das Mobbing-Opfer braucht Hilfe, um aufzuarbeiten, was geschehen ist. Je nachdem, wie weit die Mobbing-Spirale bereits fortgeschritten war, kann die Aufarbeitung und Stabilisierung des Schülers Monate dauern. Drücken Sie ihm gegenüber aus, dass Sie auf seiner Seite sind. Sprechen Sie darüber, dass es beim Mobbing für Sie eine Null-Toleranz-Grenze gibt und Sie massiv gegen das Verhalten der Täter vorgehen werden. Erarbeiten Sie mit den Eltern und natürlich dem Kind gemeinsam Schutzfaktoren, wie z. B. die Erlaubnis, während der Pause in Begleitung einer Lehrkraft zu sein. Es sollte auch ein Augenmerk auf die Stärkung des Schülers gerichtet werden: Opfer senden Signale aus, die Täter motivieren. Ihr Schüler kann lernen, selbstbewusster aufzutreten und sich dadurch zu schützen.

Punkt 3: Ermitteln Sie den oder die Täter

Nicht immer ist sofort offensichtlich, wer zum Täterkreis gehört. Bieten Sie Ihren Schülern an, sich zu „stellen“, um schärfere Maßnahmen zu vermeiden. Meist ergreifen Mitläufer diese Chance, um „auszusteigen“. Lassen Sie sich von diesen Schülern die Zusammenhänge erklären. Oft können auch Außenstehende Augenzeugenberichte liefern. Die Ermittlung des oder der Täter(s) ist nicht nur für den Täter-Opfer-Ausgleich wichtig, sondern auch für das Therapieprogramm der mobbenden Seite: Auch ein Täter leidet unter dem, was er tut, und braucht Hilfe, Handlungsalternativen zu entwickeln.

Punkt 4: Sprechen Sie mit den Täter-Eltern

Informieren Sie einfühlsam die Eltern des Täters über Ihre Beobachtungen. Legen Sie dazu Protokolle zu beobachtetem Verhalten und Gesprächsprotokolle mit Aussagen von verschiedenen Schülern und Kollegen vor. Die Eltern werden zunächst wahrscheinlich nicht einsichtig und unterstützend reagieren, sondern ihr Kind verteidigen. Stellen Sie klar, dass Sie das Verhalten des Kindes und nicht seine Persönlichkeit verurteilen. Bitten Sie die Eltern um Mithilfe, um dem Schüler einen Ausweg zu zeigen und Handlungsalternativen anzubieten.

Punkt 5: Veranlassen Sie einen Täter-Opfer-Ausgleich

Einen sogenannten TAO sollten Sie veranlassen, wenn ein Konflikt einseitig verursacht wird, wie das bei Mobbing der Fall ist. Der Täter soll dadurch erfahren, dass seine Taten Konsequenzen haben. Das Opfer wiederum lernt dabei, sich konstruktiv zur Wehr zu setzen, ohne Rache zu üben. Im Zentrum steht meist eine Wiedergutmachung, wie z. B. das Ersetzen von zerstörtem Material oder der Kleidung, die entwendet wurde.

Punkt 6: Schließen Sie einen Anti-Mobbing-Vertrag mit der Klasse

Formulieren Sie mit Ihren Schülern ein klares Mobbing-Verbot. Sprechen Sie darüber, was dem Opfer hilft: Handeln statt wegschauen. Üben Sie in Rollenspielen ein, was getan werden kann, um den Teufelskreis zu durchbrechen, wie Lehrer informiert werden und man sich auf die Seite des Opfers stellen kann, ohne selbst zum Opfer zu werden. Hängen Sie ein Anti-Mobbing-Plakat in der Klasse auf. Schreiben Sie darauf: „Wenn dieser Vertrag gebrochen wird, verpflichte ich mich einzugreifen.“ Lassen Sie alle Schüler unterzeichnen.

Fazit

Haben Sie in Ihrer Klasse eindeutige Hinweise auf Mobbing gefunden, sollten Sie entschlossen reagieren. Dabei gilt es allerdings, nichts zu überstürzen und sowohl Opfern als auch Tätern zu helfen. Ein soziales Klassenklima entwickelt sich nicht von alleine. Lesen Sie in unserer Lesesprobe von Inklusion im Fokus, wie Sie stetig eine bessere und sozialere Atmosphäre in Ihrem Klassenzimmer erreichen können.


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